Montag, 30. Januar 2017

Weißrussland

 Um mich vor der Indienreise wieder ein bisschen warm zu bloggen, und um meine rucksackkompatible Silikontastatur mal auszuprobieren kommt hier ein kurzer Post über einen viel zu kurzen Ausflug nach Weißrussland.



„Ich bin Touristin.“ Auf diesen Satz habe ich noch nie eine derart sarkastisch-prustende Reaktion erfahren, wie heute bei meinem ersten Frühstück im Hotel von meinem Tischnachbarn, einem griechischen Geschäftsmann, der seiner Laune nach zu urteilen ganz offensichtlich nicht zum Vergnügen hier war. Dabei gab es zumindest am Frühstücksbüffet nicht das Geringste auszusetzen, denn vermutlich war dort alles vertreten, was in Belarus zu allen erdenklichen Frühstücksanlässen jemals auf den Tisch gekommen ist. 


Wenn ich alles hätte aufs Foto kriegen wollen, hätte ich die Panoramafunktion einschalten müssen

Nachdem ich also meinen Magen mit einer bunten Mischung aus Rote Bete Salat, Kartoffelpuffer, Bananenpfannkuchen, Tomaten mit Fischpaste und überbackenen Fleisch-Käsebrötchen überrascht hatte, konnte es auch schon losgehen. Die Stadt kennenlernen, ein bisschen orientieren (was mir schwer gefallen ist, obwohl hier eigentlich alles ganz gut beschildert ist), Jetons für die Metro kaufen, den Bahnhof und den Busbahnhof ausfindig machen, in ein paar Läden und Cafés gehen, Leute gucken...was man eben so macht um einen ersten Eindruck zu kriegen. 






Zunächst einmal fällt natürlich auf, dass Weißrussland tatsächlich ganz schön weiß ist. Und glücklicherweise gar nicht so kalt, wie ich befürchtet hatte. Was außerdem auffällt ist, dass hier den ganzen Tag lang Schnee geräumt wird, oft mit schwerem Gerät und LKWs, und wenn irgendwo der Gehweg gesperrt ist kann man sicher sein, dass sich hoch oben auf dem Gebäude nebenan jemand auf dem Dach festgebunden hat und den Schnee runter schippt. Blöderweise hat meine Handykamera einen erbärmlichen Zoom, was das Folgende eher zu einem Suchbild macht.



Ein ungewohnter Anblick für unsereinen. Was Duisburg und Minsk dagegen gemeinsam haben, ist ein für beide Städte ähnlich traumatisches Ereignis. Am Eingang zur Metrostation Nijamiha erinnert eine Tafel an die 53 Opfer einer Massenpanik, die während eines Open Air Festivals 1999 in der Station Schutz vor einem Gewitter gesucht hatten.




Und auch, wenn die Metro nur über 2 Linien und eine überschaubare Anzahl von Stationen verfügt, unterstreicht sie doch den deutlich hauptstädtischen Charakter der Stadt, die nicht, wie andere Artgenossen (Tirana, Podgorica, Pristina oder Chisinau zum Beispiel) wirkt, als sei sie zu ihrem Hauptstadtstaus gekommen wie Maria zum Kinde, sondern durchaus beabsichtigt. Wäre auch schlimm, wenn es nicht so wäre, dann hätte man die ganzen alten und vermutlich pittoresken Stadtviertel umsonst weggesprengt um Platz für die Magistralen zu haben.

Bahnhofsvorplatz

Leninstrasse
KGB

Um dann auch einmal aus Minsk heraus zu kommen, hatte ich mir ein Busticket nach Rahacou besorgt. Das ist eine Kleinstadt am Dnepr, eine der ältesten in Weißrussland, deren Hauptattraktion ein Milchkonservenkombinat ist und die ich mir in erster Linie deshalb ausgesucht hatte, weil sie weit genug von Minsk entfernt war, um ein bisschen was vom Land zu sehen. Und natürlich weil sie ein Kondensmilchdenkmal hat.



Der eine oder andere kennt es vielleicht unter der Bezeichnung Milchmädchen, gibts auch bei uns, und was die Attraktionen der Stadt betrifft, war es das dann auch schon fast. Aber eigentlich war es mir ja darum gegangen, etwas von Land und Leuten mitzukriegen. Und ich hatte Glück, denn es dauerte keine Viertelstunde, bis mir meine Sitznachbarin ihr Smartphone mit einem mittelgut funktionierenden Translator unter die Nase hielt, wir uns die gesamte dreistündige Fahrt über blendend unterhalten haben (und zum Glück hatte ich meinen mobilen Akku dabei), ich bei zukünftigen Besuchen in Minsk auf jeden Fall bei ihr wohnen soll und sie mir zum Abschied trotz heftiger Gegenwehr meinerseits eine große Tüte Espressobohnen geschenkt hat. Schwer zu fassen, wie nett völlig fremde Leute manchmal sind…

Eishockey im Park



Holzhauswohngebiet

Somit hatte ich von der Landschaft nicht überwältigend viel mitbekommen, fast hätte ich den Ausstieg in Rahacou verpasst (was auch nicht weiter schlimm gewesen wäre). Rahacou sieht aus, wie vermutlich fast alle Kleinstädte zwischen Warschau und Wladiwostok, sehr unaufgeregte Architektur, am Stadtrand ein paar Holzhaussiedlungen, im Zentrum Stadtverwaltung und Schule, mindestens eine Kirche (mit ein bisschen Glück mit vergoldeter Kuppel). Mit anderen Worten, es gibt wirklich keinen Grund dorthin zu fahren, aber davon überzeuge ich mich ja gerne mit eigenen Augen. Das hatte aber auch immerhin den Vorteil, dass ich nach einigen wenigen Stunden die Rückfahrt noch bei Tageslicht antreten konnte um so dann doch noch ein bisschen was von der Landschaft zu sehen...





…ein Wintermärchen! Vermutlich sieht jedes Land schön aus, wenn es mit einer glitzernden Schneedecke überzuckert ist, ich werde also irgendwann im Sommer nochmal wiederkommen müssen um mir ein Urteil bilden zu können.

Zurück in Minsk saß ich dann noch ein Weilchen in der Hotelbar herum, als mich zwei ältere Damen ansprachen, die mir unbedingt etwas mitteilen wollten, was ich aber nicht verstehen konnte. Statt dann aber irgendwann einfach aufzugeben, setzten sich die beiden an meinen Tisch, sprachen unverdrossen weiter auf mich ein, bekreuzigten sich immer wieder mit Nachdruck, und irgendwann hatte ich mit Hilfe meiner Handyfotos, Google und der pantomimischen Darbietung der beiden kapiert, dass ein wichtiger orthodoxer Feiertag anstand, das Fest der Taufe des Herrn, wie ich mittlerweile weiß. Und dass ich in den Kirchen geweihtes Wasser bekommen würde, welches in kleinen Schlucken zu trinken, das Gesicht damit zu benetzen und die Wohnung damit zu besprengen sei. Mein Einwand, dass ich nicht wirklich religiös und schon mal gar nicht orthodox wäre wurde mit einer großzügigen Handbewegung weggewischt, das sei nicht weiter schlimm, so dass ich schließlich versprach, mir das Ganze auf jeden Fall einmal anzusehen.

Schlange stehen für geweihtes Wasser auf dem Kirchplatz

Was mir die beiden netten Damen darüber hinaus ans Herz gelegt hatten, und was ich wirklich unbedingt sehen wollte, ist eine weitere Tradition, die ganz offensichtlich eng mit dem Thema Taufe verknüpft ist, aber, zumindest bei den Jüngeren eher den Charakter einer kollektiven Mutprobe mit einer Prise Volksfest hat…

Man nehme einen vereisten Fluss und eine Kettensäge....

Und dann kann es auch schon losgehen. Ich hab das dumpfe Gefühl, dass das Video nicht läuft, das Wesentliche seht ihr hier.

Man kann auf jeden Fall Spaß hier haben, mir hat Weißrussland jedenfalls gut gefallen. Und ich werde sicher nochmal wiederkommen.









Montag, 9. Januar 2017

Nachlese


Da sind wir schon seit fast einer Woche wieder zu Hause, das ging am Ende dann auf einmal ganz schnell. Und auch hier sind wir gerade sehr beschäftigt mit Wiedersehen feiern (schööööön!), Studium aufnehmen (spannend), verlorene Ausweise neu beantragen (hmpf...), mit der Ente zum Zoll um das Carnet de Passage abzuschließen (Hauptzollamt Krefeld-Uerdingen: "Ähem, das haben wir hier noch nie gemacht..."), und, und, und.
Und weil auch der Blog am Ende nicht so offen stehen bleiben soll wie die Münder der drei kleinen Jungen aus Natanz (die von Kolja wissen wollten, ob sein Septumpiercing tatsächlich ganz durch die Nase geht, woraufhin er zu Demonstrationszwecken einmal kräftg dran gezogen hat), hier ein bisschen rückblickende Statistik... 


Vorher
Nachher
Dazwischen liegen gut 14000 Kilometer, 18 Länder (wenn man Transnistrien mitzählt), 25 Grenzübergänge, 13 Währungen, 2 1/2 Stunden Zeitverschiebung und 2 Monate Fahrzeit 


Und dies hier war die Route (rot hin, grün zurück), ein bisschen frei Schnauze mit Paint auf einen Screenshot von Google Maps gemalt (und entsprechend mit Vorsicht zu genießen, was die geografische Korrektheit betrifft). Das kann man natürlich auch richtig gut machen, wie wir einer gleichermaßen umfassenden wie einschüchternden Internetrecherche entnehmen konnten, du lieber Himmel, was es da alles so gibt...





Und sonst noch? 
Mir fallen ein paar Fragen ein, die uns immer wieder gestellt wurden, also:
Wir sind diesmal tatsächlich nicht krank geworden, was mich allerdings auch wundert. Wir hatten mal ein bisschen mit der öligen Frühstücksbuchweizengrütze bei den ukrainischen Bauern zu kämpfen, aber das zählt nicht. Und einmal muss was mit dem Bier in Armenien nicht gestimmt haben, mit dem wir ausgelassen das Ende unserer iranischen Abstinenz gefeiert haben, aber das erzähle ich nicht. 

Es gab keine wirklich kritischen oder beängstigenden oder bedrohlichen oder gefährlichen Momente, oder wenn, dann haben wir sie nicht als solche wahrgenommen. Schon gar nicht im Iran oder der Türkei, die am häufigsten Anlass zu solchen Fragen gegeben haben. Durch Kurdistan oder ins Grenzgebiet zu Afghanistan fährt man eben nicht. Und wir sind uns mit vielen Langzeitreisenden einig: das größte Risiko ist immer der Straßenverkehr. In unserem Falle vielleicht noch der Fahrstuhl in unserem Hotel in Tabriz, bei dem man genau hören konnte, wenn die aufgespleißte Stelle im Stahlseil mit lautem Pling über die Rolle lief. Vor dem Ding hatten wir eine Heidenangst, obwohl wir trotzdem fast nie die Treppe genommen haben, wie auch, doch nicht bei der Hitze in den dritten Stock...

Es gab keinen Ärger mit den Offiziellen. Und zumindest bei den ukrainischen Verkehrspolizisten, den transnistrischen Grenzbeamten oder der iranischen Fashionpolizei hatten wir schon zumindest mit der Möglichkeit gerechnet. Aber nichts dergleichen. Wir sind zwar ziemlich oft angehalten worden, besonders im Iran, aber immer nur Kontrolle, immer freundlich und manchmal mit Foto.

Uns ist nichts abhanden gekommen (worden), was wir nicht selber verloren hätten. Wir hatten uns ein paar Gedanken wegen des Geldes gemacht, das man ja im Iran nicht abheben kann und von daher die ganze Zeit in bar spazieren führt. Ist aber gut gegangen,  also reduziert sich die Verlustliste auf das Portemonnaie in Bulgarien und einen halben Liter Motoröl. Da haben wir allerdings dumm geguckt, denn der tropfte langsam aber stetig auf die Straße, merkwürdigerweise im hinteren Bereich des Wagens, weit weg vom Motor, was wir uns nicht erklären konnten. Irgendwann hatten wir dann aber kapiert, dass der Ölkanister im Kofferraum umgefallen, nicht richtig zugeschraubt und im Auslaufen begriffen war. Eine mordsmäßige Sauerei!

Wir sind uns trotz 2er Monate auf engem, lautem, heissem und sich nur langsam vorwärts bewegendem Raum nicht auf die Nerven gegangen, also zumindest Kolja nicht mir. Und sollte es umgekehrt nicht stimmen, werden wir das nicht erfahren, denn Kolja liest den Blog nicht...

Wir hatten keine einzige Panne. Und auch wenn wir der Ente durchaus zugetraut haben eine solche Strecke durchzuhalten (sonst wären wir gar nicht erst losgefahren), sind wir darüber doch gleichermaßen erleichtert und erfreut. Wir hatten genau zwei Ersatzteile mitgenommen (Glühbirne für vorne und Keilriemen), wovon wir die Birne gebraucht haben. Und ein Bremsbirnchen, das Kolja aus Deutschland mitgebracht hat. Ansonsten haben wir nur ein paar Schrauben verloren, die wir aber unterwegs nicht weiter vermisst haben. Jetzt hat sie allerdings ein bisschen Pflege verdient, neben Ölwechsel muss auf jeden Fall der Vergaser gereinigt werden (aus dem Luftfilter haben wir schon ganze Wespen herausgefischt). Und die Sitze müssen ganz dringend neu bezogen werden. Und auch ein neues Dach ist fällig, das alte, das ja schon vor der Reise morsch war, sieht mittlerweile aus, als hätte jemand mit einer abgesägten Schrotflinte drauf geschossen.

 Also kurz gesagt, es hätte wirklich nicht besser laufen können. Es war einfach nur eine sensationell schöne Zeit.

The Ent